Was kann Atem- und Körperarbeit?
Unser Körper gibt uns auf jeden Impuls sofortiges Feedback. Er weiss immer was er will und hat auf alles eine Antwort. Wenn wir uns bspw. einer geliebten Person nähern oder einer Gefahr ausweichen, weiss er intuitiv wie er sich bewegen möchte, wie er atmen möchte!
Als einzige Körperfunktion kann der Atem in seinem ununterbrochen unwillkürlichen Arbeiten willentlich gesteuert werden. Physische und psychische Veränderungen zeichnen sich bspw. in der Qualität der Atemphasen, der Tiefe des Atems, der Frequenz der Atemzüge unmittelbar ab.
Körper- und Atemarbeit vermitteln uns ein Bewusstsein darüber und lassen uns erkennen, wie wir „re-agieren“ und wohin wir unsere Aufmerksamkeit richten, die unsere individuelle Wirklichkeit erzeugt. Die Konzentration auf den Körper und die Vertiefung unserer Atmung hilft uns, Zugang zu unseren Gefühlen und deren Botschaften zu finden und zu unbewußten Schichten unseres Selbst vorzudringen. Wir können damit Verarbeitungsprozesse anregen, Gemütszustände regulieren und schließlich kognitive und intuitive Potentiale zugunsten eines seelischen Gleichgewichts zusammenführen und stärken.
Ganz selbstverständlich beginnen wir unser außermütterliches Sein mit dem Atmen und mit ihm begeben wir uns zur letzten Ruhe. Er verbindet unser Inneres mit der Außenwelt. Indem wir ihm unser Interesse schenken, kehren wir uns nach innen, können unser unbewusstes Körperwissen ansprechen und mit Neugier Antworten erwarten. Ein Moment, uns unserem Ursprung zuzuwenden und diesem gewahr zu werden.
Spätestens seit der philosophischen Strömung des Rationalismus im 17. Jahrhundert unterliegen wir dem Paradigma der Trennung von Körper und Geist mit dem Gehirn als höchster Instanz.
Kenntnisse über die Weisheit des intuitiven Körperwissens verschwanden mehr und mehr aus unserem Wissenskanon, blieben uns aber als Metaphern im alltäglichen Sprachgebrauch erhalten: etwas begreifen, Haltung annehmen, etwas in der Hand haben, kopflos reagieren, das Augenmerk auf etwas richten, leibhaftiges Erleben, dünnhäutig sein, aus der Haut fahren, etwas schultern, den Kopf hängen lassen oder im Englischen: ein "Nobody" sein usw. Der Ausdruck „ein Bauchgefühl haben“ ist uns geläufig und in Situationen, die Entscheidungen erfordern, sind viele Menschen geneigt hinzuhören, welche Richtung es uns weisen möchte. In wie weit vertrauen wir ihm oder der Intuition?
Obgleich Ergebnisse der modernen Hirnforschung und der Embodiment-Forschung deutlich belegen, wie sich Stimmungen in Körperhaltung, Atemmuster und Stimmgebung ausdrücken und umgekehrt, wie diese unsere Stimmung beeinträchtigen und in welcher Weise z.B. negativer Stress oder Entspannung mit unserem Hormonsystem, dem Herzkreislauf-System und weiteren körperlichen Funktionen korrelieren, trennt die Schulmedizin weiterhin körperliche von seelischen Erkrankungen in ihren Diagnosen oder entwickeln sich pädagogische Konzepte nicht in adäquater Weise zum Wissensstand. Nach wie vor übt die Überzeugung von der Dominanz des Geistes über den Körper in der gegenwärtigen Leistungsgesellschaft eine immense Sogkraft aus und der Glaube, dass einzig das Gehirn Erlebnisspeicher sei, ist noch sehr verbreitet.
Glücklicherweise kehrt über uralte Kulturtechniken, wie bspw. Yogapraktiken Wissen über Ganzheitlichkeit und Wechselwirkung von Körper, Geist und Seele in das allgemeine Bewusstsein unseres Kulturkreises zurück.